Da die Sechzger bestimmt auch dann wieder unentschieden spielen, wenn ich mir das Spiel nicht in der Kneipe anschaue, und weil ich mal wieder Lust auf einen Stadionbesuch hatte, machte ich mich diesen Sonntag auf den Weg nach Potsdam ins dortige Karl-Liebknecht-Stadion. Auf dem Spielplan der Regionalliga stand das Berlin-Brandenburg-Derby zwischen Babelsberg und Union.
Die Wettervorhersage verhieß nichts Gutes, aber der prophezeite Dauerregen blieb glücklicherweise aus. Ungemütlich nasskalt war’s trotzdem. Sei’s drum. Das Kartenkontingent für die Gäste aus Köpenick (3.300) war vergangene Woche schon vergriffen, und die Vorstädter verzichteten auf einen weiteren Vorverkauf, um zu vermeiden, dass sich Berliner in die Brandenburger Blöcke mischten. Karten gab es somit nur an der Tageskasse – und eben nur für Zuschauer, die sich nicht als Unioner zu erkennen gaben. Wie so viele Begegnungen in der Regionalliga Nord wurde auch dieses als Risikopartie eingestuft. Die massive Polizeipräsenz auf dem gut ein Kilometer langen Weg vom Bahnhof zum Stadion sprach für sich. Rund 700 Beamte waren im Einsatz – und das für letztendlich 6.822 Zuschauer. Ausverkauft. Wie das aber bei einem offiziellen Fassungsvermögen von 10.499 möglich sein soll, bleibt mir ein Rätsel. Die Hütte war jedenfalls voll.
Rechtzeitig zur Öffnung der Kassenhäuschen um 11 Uhr angekommen, sicherte ich mir eine Stehplatzkarte gleich neben dem Gästeblock. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass ich mit den Eisernen aus Köpenick sympathisiere. Die Zeit bis zum Anpfiff um 13.30 Uhr nutzte ich für ein ausgiebiges Frühstück. Nein, nicht die übliche Stadionkost Bratwurst und Bier, sondern ein spanisches Desayuno: In einem nahegelegenen Café gönnte ich mir Serrano-Schinken, Queso Manchego, Chorizo, Oliven, getrocknete Tomaten, Cafe con leche. Das hätte ich in der Potsdamer Vorstadt auch nicht erwartet.
Danach ging’s ins Stadion: Das “Karli”, wie sie das Karl-Liebknecht-Stadion hier nennen, ist ein klassisches Fußballstadion ohne Laufbahn, mit einer kleinen, überdachten Sitzplatztribüne und drei Stehplatzrängen (von der Bauart ähnlich der Alten Försterei). Erwähnenswert sind auch die ausklappbaren Flutlichmasten. Und es ging gleich etwas ungewöhnlich los. Dass Gästefans aus Sicherheitsgründen nach Schlusspfiff erst verspätet ausgelassen werden ist vielerorts gängige Praxis. Heute aber blieb der Unioner Gästeblock bis fünf Minuten nach Anpfiff leer. Lediglich ein paar Transparente waren zuvor schon angebracht worden. Die Eisernen sammelten sich nämlich hinter der Tribüne, um sie dann gleichzeitig und lautstark einzunehmen, ja fast schon zu stürmen. Das Ganze umrahmt von einer Rauchbombe und ein paar Böllern. Das machte mächtig Eindruck auf die Babelsberger, in deren Block ich mich ja befand. Die Schmährufe wurden lauter, auf beiden Seiten wurden abgezogene Schals und Fahnen angezündet, und als dann auch noch vereinzelt Wurfgeschosse hin- und herflogen, wechselte ich meinen Platz und verzog mich in eine etwas ruhigere Ecke. Schließlich befand ich mich direkt in der Schusslinie und wollte nicht unbedingt zwischen die Fronten geraten. Fußball im Osten – ein Kapitel für sich.
Das Spiel selbst war eine klare Angelegenheit: Union dominierte, der SVB mühte sich, brachte aber nichts Nennenswertes zustande. Zur Halbzeit war die Truppe um Ex-Löwe Marco Gebhardt, der per Ecke die Führung einleitete, und dem ehemaligen St. Paulianer Nico Patschinski 2:0 in Führung gegangen. In der zweiten Hälfte wurde es etwas ruhiger, die Potsdamer Fans stellten ihre Unterstützung ein, und Union erhöhte schließlich auf 3:0. Oder besser “Null Drei” – der Schlachtruf der Vorstädter wurde nun lauthals von den Berliner Gästen intoniert. Man befindet sich jetzt wieder auf einem Aufstiegsplatz. Da bleibt nur noch zu hoffen, dass bald genügend Mittel zur Sanierung der Alten Försterei aufgebracht werden können. Der DFB erachtet die Heimstätte der Eisernen nämlich als weder zweit- noch drittligatauglich.
Nach Schlusspfiff machte ich mich dann durchgefroren auf schnellstem Wege nach Hause. Ich wollte nicht unbedingt erleben, was passiert, wenn sich die beiden Gruppen auf dem Weg zum Bahnhof mit der Polizei treffen.