Sechzig zu Gast in Krakau

Cracovia Kraków – TSV 1860 2:1 (0:0)
Freundschaftsspiel, 9. Oktober 2010
Cracovia-Stadion, 4500 Zuschauer

Nach gut zehn Jahren mal wieder ein richtiges Auswärtsspiel für die Löwen im Ausland! Zumindest wenn man die Trainingslagerspielchen in Österreich oder der Schweiz während der Sommerpause mal außer acht lässt. Europapokal-Atmosphäre in Polen, und das in einem richtigen Stadion. Grund genug für 230 treue Löwenfans das Wochenende im fernen Krakau zu verbringen.

In Fahrgemeinschaften mit dem Auto oder Kleinbus, mit der Bahn oder per Flieger machte sich eine kleine, aber feine Gesellschaft auf den Weg, wobei diejenigen, die ab München die vermeintlich schnellste Anreise per Flugzeug gewählt hatten, von der Lufthansa/LOT aufs Übelste enttäuscht wurden: Flugstreichungen, lange Wartezeiten und Umleitungen über Frankfurt, Warschau und Rom(!) waren die Folge. Aber um einen reisewilligen Löwen aufzuhalten, bedarf es schließlich schon etwas mehr. Letztlich trudelten alle im Laufe des Freitags bzw. Samstags in Krakau ein. Die paar wenigen, die wie ich etwa aus Berlin anreisten, kamen da wesentlich reibungsloser voran. Die vier der Markt Schwabener Sektion traf ich wie vereinbart gleich am Samstagmittag.

Dass Krakau eine tolle und sehenswerte Stadt ist, die alle Register zieht, wenn es darum geht eine gute Zeit zu verleben, dürfte hinlänglich bekannt sein. Aber ebenso gilt Krakau als Hooligan-Hochburg, die von vielen polnischen Fans auf Auswärtsfahrten gemieden wird. Auch das war uns bekannt. Und glücklicherweise hatten wir keine Schwachmaten dabei, die dies auf die Probe stellen wollten. Ausnahmslos ein geiler Haufen, der sich da an diesem Wochenende zusammenfand. Gut gelauntes und freundliches Auftreten zieht immer. So fanden wir u.a. auch vor dem Spiel Einlaß in die Cracovia-Fankneipe in der Nähe des Stadions, wo einige der mehr oder weniger gefährlich aussehenden Stammgäste ob der Tatsache, dass wir uns da einfach so rein trauten, wohl derart perplex waren, dass ihnen nichts anders übrigblieb, als mit uns anzustoßen. Löwen, ich bin stolz auf euch!

Die Partie kam überhaupt erst dank des gemeinsamen Sponsors Comarch zustande, der dieses Freundschaftsspiel auf die Beine stellte. Und als Dankeschön für die mitgereisten Fans gab es die Karten für den Gästeblock auch noch gratis. Etwas beklemmend wirkte aber die vollständige Überwachung im und ums Stadion herum. Angefangen von der namentlichen Registrierung bis hin zur biometrischen Fotografie an den Eingangsschleusen, die an einen Hochsicherheitstrakt erinnerten. Seit Beginn dieser Saison gilt für alle Veranstaltungen polnischer Erst- und Zweitligaclubs eine Registrierungspflicht. Angesichts der Tatsache, dass man das Krawallproblem hierzulande in den vergangenen Jahren nie richtig in den Griff bekam und der bevorstehenden Europameisterschaft 2012, ist das aber nicht allzu verwunderlich.

Das Spiel war ursprünglich zur Eröffnung des neuen Cracovia-Stadions angedacht, doch dann wurde leider eine Woche zuvor das polnische Ligaspiel gegen Gdynia zum Eröffnungsspiel. Für viele Cracovia-Fans war die Partie gegen die Löwen also nur ein bedeutungsloses Testspiel, sodass auch nur insgesamt 4500 den Weg ins 15.000 Besucher fassende Stadion fanden. Schade. Doch die, die gekommen waren, machten ordentlich Stimmung. Respekt! Von allen Seiten wurde die Vereinshymne lautstark mitgesungen und kamen auch während des gesamten Matches Gesänge und Anfeuerungsrufe.

Und als dann zum Einlaufen der Mannschaften der Sechzger-Marsch gespielt wurde, bekamen manche im Gästeblock schon feuchte Augen. So von Herzen mitsingend habe ich 200 erwachsene Männer (und Frauen) noch nicht erlebt. Und so ging’s die ganzen 90 Minuten. Ein Support, den man sich bei manchem Punktspiel wünschen würde. Klasse statt Masse eben.

Mit ein paar Fans auf der Gegengerade wurden über die Zäune hinweg Schals getauscht, und während des Spiels schauten auch auch unser neuer Geschäftsführer Dr. Niemann sowie der Comarch-Marketingchef Martin Schmitt (der übrigens die Kartenausgabe eigenhändig vornahm) im Gästeblock vorbei. Es wurden viele Hände geschüttelt und auch einiges geschwatzt.

Das Spiel selbst war nicht allzu aufregend, relativ ausgeglichen ohne viele Höhepunkte. Nach einer torlosen ersten Halbzeit ging Cracovia Anfang der zweiten Hälfte in Führung. Der Ausgleich resultierte aus einem Eigentor, und in der Nachspielzeit markierten die Gastgeber den 2:1-Siegtreffer. Sei’s drum, scheißegal! Lange noch hallte es “Euuuropapokaaal!” durchs weite Rund. Wir hatten einen wunderbaren Tag erlebt.

Als dann nach Abpfiff “aus Sicherheitsgründen” noch eine etwa 10-minütige Blocksperre zu überbrücken war, wurde nicht etwa herumgepöbelt, sondern den mitunter paramilitärisch wirkenden Ordnern mit Sprechchören wie “Einmal Piwo, immer Piwo – zweimal Piwo, dreimal Piwo” ein Lächeln entlockt. Einfach schön. Über den restlichen Verlauf des Abends lege ich aber jetzt lieber den Mantel des Schweigens.

Schee war’s. Die geilste Auswärtsfahrt seit langem!

Spielberichte gibt’s hier und hier.

Garbarnia Kraków – Janina Libiąż 1:1 (0:0)
3. Liga Polen, 9. Oktober 2010
Garbarnia-Stadion, 400 Zuschauer

Da ich glücklicherweise pünktlich am Samstagmorgen eintraf, leistete ich mir noch den Besuch beim Drittligaspiel zwischen Garbarnia und Janina (Karte zu 7 Złoty = 1,75 Euro). Im Spiel zwischen dem polnischen Meister von 1931 und momentan Tabellendritten (Garbarnia) und dem aktuellen Spitzenreiter (Janina) ging es recht flott hin und her, und es entwickelte sich eine ganz passable Partie. Nur die Tore fehlten.

Bis dann die Gäste in der 87. Minute in Führung gingen, worauf die ersten enttäuscht das Stadion verließen. Selber schuld, denn Garbarnia gelang noch in der 3. Minute der Nachspielzeit der Ausgleich.

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