Ende Oktober stand das mittlerweile 2. EFW Oktoberfest in Budapest an, und da ich lieber eine ganze Woche als nur vier Tage Urlaub mache, begann ich meinen Osteuropa-Trip bereits am Wochenende zuvor. Und zwar in Belgrad.
Als ich das einige Wochen zuvor plante und den Flug buchte, konnte ich noch nicht ahnen, dass wenige Tage zuvor serbische Hooligans in Genua beim Länderspiel gegen Italien derart für Krawall sorgen würden, dass die Partie nach bereits sechs Spielminuten abgebrochen werden musste. In Belgrad war das dann auch das Thema der Woche. Zum einen waren Schläger von Roter Stern am Werk, die den Wechsel des Torhüters Vladimir Stojkovic zum Lokalrivalen Partizan nicht akzeptierten und bereits vor dem Spiel den Mannschaftsbus angriffen. Zum anderen sollen gewalttätige Nationalisten eingeschleust worden sein, die international ein Zeichen setzen sollten gegen Annäherungsversuche an die EU durch die serbische Politik. Mir war etwas mulmig zumute.
Doch trotz des nasskalten Wetters machte Belgrad einen angenehmen Eindruck auf mich. Freundliche Menschen, eine angenehme Unterkunft, gutes Essen, und den halben Liter Bier für weniger als einen Euro. Nach einer kurzen Erkundung der unmittelbaren Nachbarschaft stand bereits am Freitagabend das erste Match auf dem Plan.
Partizan Beograd – FK Smederevo 5:3 (2:1)
15.10.2010
Jelen Super Liga – 1. serbische Liga
Stadion Partizana, 4137 Zuschauer
Für einen Platz in der Kurve werden einem knapp 2,50 Euro abgenommen, und um auf der Haupttribüne Platz nehmen zu dürfen, muss man sage und schreibe 4 Euro hinblättern. Von den Gästen konnte man gerade mal etwa 30 Leute wahrnehmen, während sich die Kurve der Grobari (Totengräber) gut gefüllt und vor allem sehr lautstark präsentierte.
Die Gäste gingen früh in Führung, doch Partizan gelang mit einem Doppelschlag innerhalb von drei Minuten die Halbzeitführung. Es ging munter hin und her. Vogelwildes Abwehrverhalten auf beiden Seiten, welches die jeweiligen Stürmer stets gut auszunutzen wussten. Gleich zu Beginn der 2. Hälfte erzielte Smederevo den Ausgleich und schöpfte nochmals Hoffnung. Das Scheibenschießen aber ging weiter: 3:2, 4:2, dann wiederum ein Anschlusstreffer und schließlich das 5:3, womit dann auch genug war. Acht Tore im ersten Spiel. Bitte weiter so!
Zu Essen oder Trinken gab es mit Ausnahme von Kürbiskernen leider nichts.
OFK Beograd – Spartak Subotica 2:0
16.10.2010
Jelen Super Liga – 1. serbische Liga
Omladinski Stadion, 250 Zuschauer
Am Samstagmorgen fand ich mich zunächst beim Drittligisten FK Hajduk ein, für den laut Spielplan um 11 Uhr ein Spiel anstand. Am Vereinsgelände angekommen, fand ich allerdings außer gähnender Leere nicht viel vor. Doch da war noch die Stadiongaststätte, deren Tür auch tatsächlich geöffent war. Ein paar ältere Herrschaften, die gerade mit Kaffeetrinken, rauchen und Zeitunglesen beschäftigt waren, wunderten sich über den fremden Besuch. Nachdem ich dem einzig Anwesenden mit Englischkenntnissen mein Begehr erläuterte, erfuhr ich, dass ich 24 Stunden zu früh da war. Das Spiel wäre erst morgen, so der Sohn des Vereinspräsidenten, der mich sogleich zum Kaffee einlud und mir einen Vereinsschal überreichte. Auf ausländisches Interesse an einem serbischen Drittligisten war man hier offensichtlich sehr stolz. Bis morgen dann!
Im Anschluss machte ich dann auf den Weg ins Omladinski-Stadion zur Erstligapartie des OFK Beograd, seines Zeichens Heimatverein des größten Torhüters aller Zeiten, Petar Radenkovic. Auch dort war nicht viel los, allerdings waren es ja noch zwei Stunden bis Anpfiff. Ohne Ticket oder Sicherheitskontrollen betrat ich das Stadion, als mich ein älterer Herr im feinen Anzug fragte, was ich hier wolle. Na das OFK-Spiel anschauen, was sonst? Dazu wäre ich zu früh, aber da er der Sicherheits-Chef sei und sich über meinen Besuch freue, könnte ich mich gerne auf eigene Faust im VIP- und Pressebereich umschauen. Beim Verlassen solle ich nur darauf achten, die Türen wieder zu schließen.
Da nach einer Viertelstunde Rundgang immer noch Zeit zu überbrücken war, fand ich mich in der Vereinsgaststätte ein. Ein Bier und einmal Pleskavica, bitte. Das Bier war überraschend klein, während der serbische Hacksteak-Burger die Ausmaße einer Pizza annahm. Entsprechend vollgefressen bemühte ich mich schließlich ins weite Rund, das sich leider so gar nicht füllen wollte. Bei neblig-nasskalter Witterung fanden sich gerade mal 250 Seelen zu diesem Spiel der höchsten serbischen Spielklasse ein, darunter etwa 10 Auswärtsfahrer aus Subotica. Stimmungsmäßig eine sehr fade Angelegenheit, ebenso wie das Spiel, das die Hausherren für sich entschieden.
FK Hajduk – Grafičar 1:0
17.10.2010
Srpska Liga (Beograd) – 3. serbische Liga
Stadion Hajduka na Lionu, 150 Zuschauer
Zweiter Anlauf beim FK Hajduk am Sonntagmorgen. Die älteren Herren vom Vortag freuten sich über mein Wiederkommen und begrüßten mich fast alle mit Handschlag, ebenso der Sohn des Präsi. Das kleine Hajduk-Stadion liegt so richtig im Wohnviertel. Die Mietshäuser, die direkt an die Torausline anschließen, sind durch Fangnetze vor ungewollten Einschlägen gesichert. Insgesamt ein unterhaltsames Unterfangen beim Stadtteilklub aus Lion.
FK Rad Beograd – Borac Cacak 3:1
17.10.2010
Jelen Super Liga – 1. serbische Liga
Stadion Kralj Petar Prvi, 500 Zuschauer
Ganz anders wurde ich am Nachmittag beim FK Rad “willkommen” geheißen. Nachdem ich erfolgreich die Strecke per Bus in den Randbezirk Belgrads navigiert hatte, wollte man mir zunächst keine Eintrittskarte verkaufen. Warum, weiß ich nicht. Erst nach einigem hin und her, und nachdem man eine Fotokopie meines Reisepasses angefertigt hatte, wurde mir gegen Entrichtung von 300 Dinar ein Ticket ausgehändigt. Aber noch war ich nicht im Stadion, das aus einer einzigen überdimensionierten Tribüne und vielen Zäunen bestand.
An der Sicherheitskontrolle sollte mir so ziemlich alles, was gegebenenfalls als Wurfgeschoß verwendet werden könnte, abgenommen werden. Hausschlüssel, Handy, Kamera usw. Dagegen wehrte ich mich und es kam zu einigen Diskussionen. Kamera und Schlüssel durfte ich schließlich mit hineinnehmen. Mein Handy könne ich nach dem Spiel abholen. Ich fühlte mich ziemlich verarscht.
Im Stadioninneren tummelten sich einge zwielichtige Gestalten, mit denen man nicht unbedingt was zu tun haben wollte. Das Spiel war in der ersten Halbzeit ziemlich langweilig, und zu Essen oder Trinken gab es auch nichts. Nachdem mir als Inhaber eines Tickets der teureren Kategorie der Zugang zur Tribüne verwehrt wurde (“too dangerous”), hatte ich die Schnauze endgültig voll und verließ mit dem Halbzeitpfiff das Stadion. Etwas, was ich noch nie gemacht hatte. Darauf, dass mir damit die Tore der zweiten Halbzeit entgingen, pfeife ich.
Fazit: FK Rad – nie wieder. Für mich das übelste Stadionerlebnis bislang.
Den Rest des Tages verbrachte ich dann lieber mit einem Stadtbummel und etwas Sightseeing.
Am nächsten Morgen begab ich mich dann per Bus für zwei Tage nach Novi Sad, einer wirklich sehenswerten Stadt, die ich bis dahin zwar vom Namen her kannte, aber nie als touristisches Ziel auf dem Plan gehabt hatte. Wie bereits seit meiner Ankunft in Belgrad vor wenigen Tagen, zeigte sich das Wetter weiterhin leider von seiner regnerischen Seite.
Gradski Stadion, FK Vojvodina Novi Sad
In Novi Sad bestieg ich letztlich den Intercity nach Budapest, wo ich am Mittwochabend mit einiger Verspätung eintreffen sollte.