Wembley

England – Slowakei 4:0 (1:0)
Freundschaftsspiel, 28. März 2009,
Wembley Stadium, 85.512 Zuschauer

Bedauerlicherweise habe ich es nie ins alte Wembley-Stadion geschafft, dem wohl bekanntesten und traditionsreichsten Fußballstadion der Welt. Das aufgrund der beiden markanten Türme im Volksmund auch Twin Towers genannte Stadion war Austragungsstätte zahlreicher legendärer Spiele, von den dort  stattfindenden FA Cup Finals über die Heimspiele der englischen Nationalmannschaft bis hin zu internationalen Turnieren wie die WM 66 und die EM 96 – jeweils mit dramatischen Partien und Ergebnissen.

Beim ersten Pokalfinale von Wembley zwischen West Ham United und den Bolton Wanderers im Jahre 1923 betrag das offizielle Fassungsvermögen noch 127.000, doch Schätzungen zufolge drängten 250.000 bis 300.000 Zuschauer ins Stadion und aufs Spielfeld. Rund weitere 60.000 warteten vor den Eingangstoren. Nur durch den Einsatz berittener Polizei konnte das Spiel angepfiffen werden. Und allen voran ritt der Schimmel ‘Billy’. Das damit als White Horse Final in die Geschichte eingegangene Spiel gilt inoffiziell als das mit den weltweit meisten Zuschauern.

An selber Stelle stand 1956 Bert Trautmann im Tor, deutscher Kriegsgefangener, ab 1949 bei Manchester City unter Vertrag. Nach einem Zusammenprall 15 Minuten vor Spielende (Auswechslungen waren damals noch nicht zulässig) spielte er mit angebrochenem Halswirbel bis zum Schlusspfiff durch. Erinnern könne er sich ab jenem Zeitpunkt an nichts mehr, wie er später zu Protokoll gab, nur seinen Kopf konnte er plötzlich nicht mehr bewegen. Dennoch gelangen ihm noch einige Paraden, womit er City den Pokalsieg sicherte. Erst drei Tage nach dem Finale brachte eine Röntgenuntersuchung den dramatischen Befund. Auf wundersame Weise trug er keine Langzeitschäden davon, und noch im selben Jahr wurde er zum ersten ausländischen Fußballer des Jahres in England gewählt.

Geschichten um die Geschichte Wembleys gibt es viele. Doch zur Gegenwart: Das alte Stadion gibt’s nicht mehr, und am selben Ort im Nordwesten Londons wurde 2007 die modernste Fußballarena Europas eröffnet. Von einem gigantischen weißen Bogen überspannt bietet der imposante Neubau 90.000 Zuschauern Platz, mit einem steil angelegten Oberrang, der auch von den hinteren Plätzen optimale Sicht aufs Spielfeld gewährt. Selbst von ganz oben kann man noch die Rückennummern erkennen – und es gibt keinen einzigen Platz mit Sichtbehinderung.

Vergangenen Samstag fand zur Vorbereitung auf die bevorstehenden WM-Qualifikationsspiele ein Testspiel gegen die slowakische Auswahl an. Da ich gerade in London einen Zwischenstopp einlegte, konnte ich die Gelegenheit beim Schopf packen, um live dabeizusein. Für ein Freundschaftsspiel bekam ich eine überraschend schnelle und überzeugende Partie zu sehen. Die Engländer waren in allen Belangen überlegen und hätten locker noch früher und höher den Sieg klarmachen können. Bis zur 70. Minute stand es nur 1:0. Heskey, Lampard und zweimal Rooney steuerten die Treffer bei, doch bergen solche Begegnungen auch immer die Gefahr von Verletzungen. Und die traf vor allem die englische Sturmreihe. Nachdem Emile Heskey bereits in der 15. Minute angeschlagen vom Platz musste, erwischte es nur 20 Minuten später auch seinen Ersatzmann Carlton Cole. Der für ihn hereingekommene Peter Crouch musste dann in der 74. verletzungsbedingt vom Platz. Auf der linken Seite wirbelte desweilen Wayne Rooney unbeirrt weiter, und bot neben Steven Gerrard die ansprechendste Leistung. Historisches bleibt auch noch zu vermerken: David Beckham überholte mit seinem 109. Länderspieleinsatz den Feldspielerrekord von Booby Moore. Nur Torhüterlegende Peter Shilton hat noch mehr Partien für sein Land absolviert.

Alles in allem ein sehr atmosphärischer Stadionbesuch, der mir lange in Erinnerung bleiben wird. Das Wetter zeigte sich von seiner launischen Seite: von sonnigen Abschnitten über Graupelschauer und Platzregen alles dabei. Die mitgereisten slowakischen Fans traten trotz des nicht gerade überzeugenden Auftritts ihres Teams gut gelaunt und lautstark in Erscheinung, inizierten sogar nach dem 0:2-Rückstand eine Welle durchs Stadion, die von den englischen Fans begeistert aufgenommen wurde. Selbst auf dem Weg zur völlig überfüllten U-Bahnstation Wembley Park blieb alles friedlich und es gab noch einige Gesangsduelle. Die berüchtigten Inselaffen meiden wohl Heimspiele und fallen nur auswärts unangenehm auf.

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