St Andrews und Goodison Park

Eigentlich wollte ich das letzte Wochenende nach Cardiff reisen, natürlich nicht ohne eine Partie im Ninian Park zu besuchen. Die Heimat des Cardiff City Football Club ist eines der letzten Stadien der oberen Spielklassen auf der Insel mit Stehplatztribünen, eine davon auf der Gegengeraden. Denn auch in Cardiff gibt es einen Stadionneubau, der mit der kommenden Saison bezogen werden soll. Und damit stirbt einmal mehr ein Stück der guten, alten Fußballatmosphäre. Gary, ein Bekannter aus Cardiff, den ich beim Afrika-Cup in Ghana kennenlernte, hatte bereits die Tickets für das Championship-Spiel gegen Queens Park Rangers besorgt. Doch der unerwartete Wintereinbruch der vergangenen beiden Wochen machte uns einen Strich durch die Rechnung. Das FA-Cup-Wiederholungsspiel auswärts bei Arsenal wurde genau auf diesen Termin gelegt, sodass unsere Partie verschoben wurde.

Kurzfristig musste also umdisponiert werden, um aus der anfänglich ärgerlichen Situation noch das Beste zu machen. Und glücklicherweise konnte ich eine Karte für das FA-Cup-Achtelfinalspiel Everton gegen Aston Villa am Sonntag ergattern. Und da Birmingham auf dem Weg liegt, nahm ich gleich noch die Zweitligabegegnung Birmingham City gegen Nottingham Forest am Samstag mit.

Nach Ankunft am Flughafen Bristol am Freitagabend gegen 23 Uhr bezog ich meine Unterkunft in der Innenstadt gleich beim Busbahnhof. Beinahe hätte ich die Abfahrt des National Express Buses um 7.30 Uhr morgens verschlafen, aber zum Glück musste ich nur einmal die Straße überqueren und war gerade noch rechtzeitig zur Stelle.

Birmingham City 2, Nottingham Forest 0
Championship, 14. Februar 2009, St Andrews, 17.631 Zuschauer

Nur etwa 20 Minuten Fußweg vom Stadtzentrum Birminghams entfernt liegt St Andrews, die Heimat der Blues. Letztes Jahr aus der Premier League abgestiegen, zählt City dieses Jahr wieder zu den Aufstiegskandidaten und belegt derzeit den dritten Tabellenplatz. Forest hingegen startete katastrophal in die Saison und konnte sich erst kürzlich von den Abstiegsplätzen befreien. Nun sollte es so kommen, dass ich in der laufenden Sasion bereits die zweite Niederlage der Trees erleben sollte. Auch die Fans der Blues haben es nicht leicht als ewige Nummer 2 hinter dem Stadtrivalen Aston Villa. Und umso leidenschaftlicher ist man bei der Sache. Und jeder Fan einer Mannschaft, die ein ähnliches Los zu tragen hat, wird wissen, wovon ich spreche.

Die Pubs der Umgebung sind ganz klar Blues only, wo aber trotz allem jeder Auswärtsfan willkommener wäre als ein Villain. Und in der Kneipe, wo das Pint Guinness umgerechnet gerade mal 2,70 Euro kostet, kam ich mit einem der alten Zulus ins Gespräch. Plötzlich unterhielt ich mich mit Leuten, denen man eigentlich besser aus dem Weg gehen sollte. Aber irgendwie machten die Anwesenden einen vernünftigen – oder besser – resozialisierten Eindruck. Und auf jeden Fall hatten sie die richtige Antwort auf die zunehmende Kommerzialisierung und Versitzplazung des Sports, wie einem Artikel aus deren Fanzine The Zulu zu entnehmen war: Don’t let the wankers who stole our game steal our passion as well!

In einer unterhaltsamen Partie dauerte es bis Mitte der zweiten Hälfte bis das Team von Alex McLeish den verdienten Sieg klar machte.

Everton 3, Aston Villa 1
FA Cup 5th Round, 15. Februar 2009, Goodison Park, 32.979 Zuschauer

Die Stadt Liverpool zählt ganz klar zu meinen Lieblingsorten in Großbritannien, was nichtzuletzt am eigenartigen Charme der Scousers liegen mag. Und seitdem Everton im Wiederholungsspiel der letzten Runde den Lokalrivalen zwei Minuten vor Ende der Verlängerung aus dem Wettbewerb kickte, war die Pokaleuphorie der Toffees auf einem lange nicht gesehenen Niveau. Mit dem Zug aus Birmingham angekommen, machte ich mich sogleich mit der Buslinie 19 auf den Weg zum Goodison Park – vorbei an der nur knapp einer Meile entfernten Anfield Road – um mein hinterlegtes Ticket abzuholen. Es blieb noch genügend Zeit, um die knisternde Atmosphäre vor dem Match aufzusaugen. Wer sollte uns jetzt noch stoppen, wenn wir mit dem FC Liverpool schon den größten Konkurrenten aus dem Weg geräumt haben? So in etwa betrachtete man die Situation diesseits des Stanley Parks. Na ja, da warten noch andere Stolpersteine wie Chelsea, Arsenal oder Manchester United. Aber zunächst einmal musste mit Aston Villa die Überraschungsmannschaft der laufenden Saison aus dem Weg geräumt werden.

Der Goodison Park war zwar ausverkauft, aber trotzdem nicht ganz gefüllt, da man aus Sicherheitsgründen gut drei Tribünenblöcke neben den Gästefans frei hielt. Was aber der guten Stimmung keinen Abbruch tat. Die zahlreich Mitgereisten waren lautstark zu vernehmen, kamen aber dennoch kaum gegen die Blauen an. Nach nur vier Minuten gingen die Gastgeber in Führung und das Stadion drohte überzukochen. Aber schon in der 8. Minute erzielte Villa per Elfmeter den Ausgleich. Es entwickelte sich eine schnelle, hoch unterhaltsame Partie mit Chancen auf beiden Seiten. Wiederum durch einen Strafstoß erlang Everton noch vor der Halbzeit die Führung. Nicht nur stimmungsmäßig war es jetzt schon mit einer der besten Partien, die ich in England je erleben durfte. Doch damit nicht genug. Der Australier Tim Cahill schob in der 75. zum letztlich verdienten 3:1 Endstand ein: Die Toffees schienen nun vollends abzuheben.

Die am Abend live im Fernsehen übertragene Auslosung für die nächste Runde löste im Pub einen Jubelsturm wie bei einem entscheidenden Torschuss aus: Heimspiel für Everton gegen den Sieger aus West Ham/Middlesborough. Eine durchaus lösbare Aufgabe. Auf der Rückfahrt im Zug zu meinem Quartier in Birmingham teilte ich mir das Abteil mit enttäuschten, aber keineswegs aggressiven Villa-Fans.

Das Fazit dieser kurzen Tour fällt äußerst positiv aus. Flug nach Bristol für 60 Euro. Ebensoviel für Bus- und Bahnfahrkarten ausgegeben (angesichts der zurückgelegten Strecken ein sehr vernünftiger Preis). Kein Tröpfchen Regen, milde Temperaturen um die 5 Grad (am Montag sogar sonnig bei frühlingshaften 10 Grad). Viele nette Leute kennengelernt und in Birminghams Stadtmitte eines der besten Backpacker Hostels meiner Reisekarriere gefunden.

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