Monatsarchiv für September 2008

And Smith must score!

Samstag, den 27. September 2008

Wir schreiben den 21. Mai 1983. Im Londoner Wembley-Stadion trifft Manchester United im FA Cup Final auf die Überraschungsmannschaft und den klaren Außenseiter Brighton & Hove Albion. Vor 99.059 Zuschauern steht es nach der regulären Spielzeit 2:2 unentschieden.

Es geht in die Verlängerung, in der zunächst keine weiteren Treffer erzielt werden. Bis dann in der 120. Minute der Brightoner Gordon Smith plötzlich alleine vor dem Kasten Manchesters auftaucht und mit einem einfachen Schuss nicht nur den Siegtreffer erzielen, sondern damit auch das Undenkbare hätte wahr werden lassen können. Doch er vergab kläglich. Der verzweifelte Ausruf des BBC-Radiokommentators “And Smith must score!” wurde zum geflügelten Wort. Es wäre wohl eine der größten Pokalsensationen in der langen Geschichte dieses Wettbewerbs geworden.

Zu jener Zeit gab es im Mutterland noch kein Elfmeterschießen - ähnlich wie bei Spielerauswechslungen zögerte man mit der Einführung solcher Neuerungen - was wohl auch das Elfmeter-Trauma der Engländer erklären mag. Stattdessen wurde ein Wiederholungsspiel angesetzt, das Man Utd klar mit 4:0 gewann. Der kurze Traum vom großen Glück Brightons, einmal ganz oben zu stehen, war geplatzt. In derselben Saison stieg man ab, und spielt heute nur noch drittklassig.

Doch damit der Tragik um die Seagulls (Möwen) von der Südküste nicht genug.  1997 tauchte mit Bill Archer ein Investor auf, der mit seinem Geld eine rosige Zukunft versprach. Viele ließen sich täuschen, denn wie es sich herausstellte, ging es Archer nicht um den Fußball, Brighton, die Fans oder gar das Wohlergehen des Vereins. Vielmehr ging es ihm um günstigen Baugrund, was darin gipfelte, dass der seit 1902 genutzte Goldstone Ground an Bauspekulanten verkauft und kurzerhand abgerissen wurde. Am 26. April 1997 kam es dort gegen die Doncaster Rovers zur letzten Partie. Wo einst das Stadion stand, befindet sich heute eine Filiale von Toys ‘R’ Us und ein Burger King.

Die Seagulls waren mehr oder weniger über Nacht heimatlos geworden. Die beiden folgenden Spielzeiten wich man ins 120 km entfernte Gillingham aus. Danach kehrte man nach Brighton zurück und spielt seither im Withdean Stadium (eine Bezirkssportanlage mit nachträglich hingestellter Tribüne). Mittlerweile plant man einen eigenen Neubau mit 22.500 Plätzen, der 2010 bezogen werden soll.

“And Smith must score!” wurde nicht nur zum Titel des Brightoner Fanzines, sondern das Thema wurde auch in einem dramatischen Gedicht von Attila the Stockbroker verarbeitet, seines Zeichens Kaberettist, Punkrocker und nicht zuletzt heißblütiger Seagulls-Fan. Ein weiteres hörenswertes Stück aus seinem Repertoire mit dem Titel Roll up for the Donkey derby beschäftigt sich mit dem Pokalfinaleinzug von Crystal Palace 1990 - auch hier hieß der Gegner Manchester United, und auch hier wurde die Sensation erst in einem Wiederholungsspiel abgewendet. Mangels unmittelbarer fußballerischer Konkurrenz in East Sussex hatte man sich einst die Eagles aus dem Londoner Süden als Lokalrivalen ausgesucht. Da deren Anfeuerungsruf “Eeeaa-gles!” irgendwie nach “eee-aw” klingt (so wiehert der Esel auf englisch), wird der Club vom Selhurst Park daher einfach als “donkeys” bezeichnet. Habe selten einen so originellen, musikalisch vertonten Schmähgesang gehört (Text siehe unten).


Roll up for the Donkey derby

Now Wembley’s seen some glory days beneath the old twin towers

From England 1966 to Nelson’s finest hour

The hallowed turf has also seen some awful tragedy

when Gordon missed in extra time in 1983….

Now pigs could fly all over the place, bad refs all get a ban

and every Falmer nimby become a Seagulls fan

But we who love our football never thought we’d see the day

The smeggy sons of Selhurst walking down the Wembley Way!

(Chorus:)

Ee-aw! Ee-aw! The Palace got to Wembley, they’ve

never been there before!

Ee-aw! Ee-aw! Roll up for the donkey derby, there’s

room for plenty more……!

Now they beat the mighty Portsmouth with a fluke last minute goal

‘Gainst the awesome power of Rochdale they played the starring role

The Grecian gods of Huddersfield were calmly swept aside

And the way they dealt with Cambridge filled all Selhurst Park with pride…

And then they met a proper team - and confidence was thin

‘Cos the last time they played Liverpool, they didn’t exactly win (9-0, 9-0!)

But the Anfield defence deserve ten years on the dole

for letting in that quadruped to score the winning goal…

There’s old Gary O’Reilly - what’s he doing here?

He should be wandering up and down the beach by Blackpool Pier!

Pemberton and Pardew - one role for them, I’d say

And that’s the leading animal in a school nativity play…

And as for Man United, they hardly raised the tone

with Gary ‘Crystal’ Pallister, a donkey of their own

The final was a comedy, the replay was a bore

and the crowd were shouting ‘Eagles’ when it should have been ‘Ee-aw!’

Dresden - Praha - Teplice

Samstag, den 20. September 2008

Nach der Rückkehr aus Helsinki bzw. Tallinn und nicht einmal vier Stunden Schlaf ging es am Samstagmorgen auf in Richtung Dresden. Kai Havaii von den Unionern hatte ein Auto und Gästekarten für die Partie bei Dynamo klargemacht. Da konnte ich natürlich nicht Nein sagen. Außerdem kündigte sich ein sonniger Spätsommertag an.

Vor der Partie blieb noch Zeit für eine Besichtigung der wirklich imposanten Altstadt Dresdens samt der wiederaufgebauten Frauenkirche. Seit meinem letzten Besuch im Juni 1990, als Dynamo vorletzter DDR-Oberligameister wurde, hatte sich freilich viel verändert. Auch das Rudolf-Harbig-Stadion war kaum noch wiederzuerkennen. Schließlich baut Dynamo gerade ein neues Stadion, und nur noch der Gästeblock und die alte Anzeigetafel sind als Zeugnisse der Vergangenheit geblieben. Der Rest ist eine riesige Baustelle.

Das Spiel war dennoch mit über 10.000 Zuschauern ausverkauft, darunter rund 1300 Gäste aus Berlin, die sich bei den Sachsen mit Sprechchören der Kategorie “Wir sind eure Hauptstadt, ihr Bauern” oder “Es kommt die Zeit, in der das Wasser wieder steigt” versuchten, sich unbeliebt zu machen. In einer zerfahrenen Partie glückte den Eisernen schließlich in der 89. Minute der Siegtreffer. Nach der Partie trafen wir uns noch mit ein paar Bekannten aus Berlin und Dresden zum Abendessen, bevor wir zu zweit die Weiterreise nach Prag antraten.

Unser Ziel war der Stadtteil Žižkov, vor zehn Jahren noch ein trister Arbeiterbezirk, der sich mittlerweile zum Prenzlauer Berg von Prag gemausert hatte. Der dort beheimatete FK Viktoria trat am Sonntagmorgen bereits um 10.15 Uhr gegen die falschen Bohemians Praha an, die eigentlich FC Střížkov Praha 9 heißen und unter falscher Flagge antreten. Der eigentliche Prager Traditionsverein Bohemians ging 2005 Konkurs und verkaufte die Namens- und Logorechte. Mittlerweile haben sich die echten Bohemians neu formiert und treten in dieser Saison als Bohemians 1905 in der 2. Liga an.

Die falschen Bohemians sind ein Verein ohne Fans und ohne eigenes Stadion (die Heimspiele werden im Viktoria-Stadion ausgetragen). Ein trauriges Kuriosum des tschechischen Fußballs. Viktoria Žižkov hingegen ist ein kleiner, aber etablierter Verein, mit vorwiegend Anhängern aus der Nachbarschaft. Das Stadion liegt mitten in der Stadt und es herrscht eine familiäre Atmosphäre.

Nachdem die Gastgeber die erste Halbzeit klar dominierten und 2:0 in Führung gingen, verschliefen sie den Beginn der zweiten Hälfte und mussten nach einem Doppelschlag den Ausgleich hinnehmen. Bald gewann man aber wieder Oberwasser und entschied die Partie mit 4:2 für sich.

Dank des frühen Anstoßes in Prag konnten wir auf dem Rückweg noch die Begegnung um 17 Uhr zwischen FK Teplice und Baník Ostrava mitnehmen. Das Ticket (freie Platzwahl) schlägt mit rund 3,50 Euro zu Buche, Bratwurst und Bier sind zusammen für weniger als 2 Euro zu haben. So macht das Groundhopping Spaß! Die Stadt nahe der deutschen Grenze wartet mit einem imposanten Stadion auf, das für die relativ kleine Fanszene zugegebenermaßen viel zu groß ist. Die zahlreich (und weit) angereisten Ostrauer machten gut Stimmung, während die Teplitzer nur durch eine Rauchbombe, ein paar Knallkörper und dem Hissen eines Dynamo-Dresden-Banners(!) auf sich aufmerksam machten, was von den Gästen wiederum mit “Scheiße Dynamo” quittiert wurde. Handelte es sich hier am Ende um einen Stellvertreterkrieg?!

Die Partie gestaltete sich ausgeglichen, wurde aber erst in der zweiten Hälfte einigermaßen spannend. Der Mangel an Torchancen resultierte schließlich in einem 1:0-Heimsieg. Nachdem wir uns aus dem Parkplatz am Stadion quälten, ging es nach einem erlebnisreichen Wochenende auf die Heimfahrt nach Berlin.

Einmal Helsinki und zurück

Samstag, den 20. September 2008

Um günstig zum WM-Qualifikationsspiel am 10. 9. 2008 in Finnland zu gelangen, bin ich zunächst mit easyjet nach Tallinn geflogen, von wo aus ich zwei Tage später per Fähre nach Helsinki übersetzte. Dort wartete bereits die Pfälzer Abordnung um Timo, Hendrik und Brillo auf mich. Diese waren zwei Tage zuvor über Tampere eingeflogen und hätten beinahe den Bus nach Uusikaupunki bestiegen. Dem war aber nicht so, und so kam es, dass wir fünf Tage Zeit hatten, um Helsinki zu erkunden. Untergekommen waren wir in Timos Ferienwohnung (dafür nochmals vielen Dank an dieser Stelle!).

Herrschte anfangs noch ziemlich ungemütliches Regenwetter, so war es ab Mittwoch, dem Spieltag, trocken und tags darauf sogar richtig schön. Neben einem Ausflug auf die der Stadt vorgelagerten Insel Suomenlinna mit ihrer Festungsanlage (Unesco-Weltkulturerbe), der Besichtigung des Doms und der russisch-orthodoxen Uspenski-Kathedrale, blieb abends natürlich auch Zeit zur Erkundung des finnischen Nachtlebens. Für Freunde des finnischen Humors gehört ein Besuch im Zetor, dem Lokal der Leningrad Cowboys, zum Pflichtprogramm. Bei den hiesigen Bierpreisen ab fünf Euro aufwärts blieb vor allem auch das Lokal Baarikärpänen (Barfly) besonders positiv in Erinnerung, das aufgrund seiner unschlagbaren Happy-Hour-Preise auch liebevoll “Oansfuffzger” genannt wird. Empfehlenswert ist auch die tschechische Bierkneipe Vltava direkt am Hauptbahnhof, wo wir uns am Mittwoch vor dem Spiel mit unseren finnischen Freunden trafen, die uns auch die Tickets fürs Spiel besorgt hatten.

Und so befanden wir uns dann im Olympiastadion von 1952 inmitten des finnischen Fanblocks. Anderenorts hätte man sich Sorgen machen müssen, aber in Helsinki herrschte eine sehr freundschaftliche Atmosphäre. Und die Tatsache, dass Suomi gleich dreimal in Führung ging, trug natürlich zu einer ausgelassenen Stimmung an diesem herbstlich-frischen Abend bei. Miroslav Klose glich bekanntlich dreimal aus, und so kam das deutsche Team letztendlich zu einem glücklichen Unentschieden.

Nach fünf sehr unterhaltsamen Tagen ging es am Freitagnachmittag zurück nach Tallinn. Der Rückflug verspätete sich dann leider um drei Stunden, sodass ich erst am Samstagmorgen gegen halb vier ins Bett kam.