Das vergangene Wochenende begann fröhlich und ausgelassen, und endete niederschmetternd und enttäuschend. Zunächst besuchte ich den Flo in Köln, wo wir uns zur Einstimmung aufs Karnevaltreiben in einer Fußballkneipe den Auftritt des 1. FC Köln bei den Bayern zu Gemüte führten. Getränkeeinheiten werden dortzulande zwar in Reagenzgläsern gereicht, doch wir bemühten uns redlich, im Gedränge zum Zuge zu kommen. Die Kombination aus 2:1-Auswärtssieg und Karneval tat ihr Übriges und Köln tobte. Der weitere Verlauf des Abends gestaltete sich dementsprechend.
Tags darauf ging’s bei Nieselregen ins trübe Duisburg, wo das Auswärtsspiel der Löwen anstand. In der eigentlich imposanten MSV-Arena - mit einer Kapazität von 31.500 Plätzen ein gelungenes Beispiel für einen mittelgroßen Stadionneubau - entwickelte sich vor einer enttäuschenden Kulisse von nur 13.248 Zuschauern eine noch enttäuschendere Partie. Den keineswegs gut spielenden Meiderichern gelang - nicht zuletzt Dank der drei Treffer des überzeugenden Kameruners Kouemaha - ein souveräner 4:1-Sieg. Die “Leistung” der Sechzger war durchweg indiskutabel und einer Zweitligamannschaft nicht würdig. Die bislang höchste Saisonniederlage spricht Bände. Durchgefroren und müde trat ich die Heimreise nach Berlin an und fragte mich, ob es das alles wert sei. Aber irgendwer muss den Job ja machen…
Eigentlich wollte ich das letzte Wochenende nach Cardiff reisen, natürlich nicht ohne eine Partie im Ninian Park zu besuchen. Die Heimat des Cardiff City Football Club ist eines der letzten Stadien der oberen Spielklassen auf der Insel mit Stehplatztribünen, eine davon auf der Gegengeraden. Denn auch in Cardiff gibt es einen Stadionneubau, der mit der kommenden Saison bezogen werden soll. Und damit stirbt einmal mehr ein Stück der guten, alten Fußballatmosphäre. Gary, ein Bekannter aus Cardiff, den ich beim Afrika-Cup in Ghana kennenlernte, hatte bereits die Tickets für das Championship-Spiel gegen Queens Park Rangers besorgt. Doch der unerwartete Wintereinbruch der vergangenen beiden Wochen machte uns einen Strich durch die Rechnung. Das FA-Cup-Wiederholungsspiel auswärts bei Arsenal wurde genau auf diesen Termin gelegt, sodass unsere Partie verschoben wurde.
Kurzfristig musste also umdisponiert werden, um aus der anfänglich ärgerlichen Situation noch das Beste zu machen. Und glücklicherweise konnte ich eine Karte für das FA-Cup-Achtelfinalspiel Everton gegen Aston Villa am Sonntag ergattern. Und da Birmingham auf dem Weg liegt, nahm ich gleich noch die Zweitligabegegnung Birmingham City gegen Nottingham Forest am Samstag mit.
Nach Ankunft am Flughafen Bristol am Freitagabend gegen 23 Uhr bezog ich meine Unterkunft in der Innenstadt gleich beim Busbahnhof. Beinahe hätte ich die Abfahrt des National Express Buses um 7.30 Uhr morgens verschlafen, aber zum Glück musste ich nur einmal die Straße überqueren und war gerade noch rechtzeitig zur Stelle.
Birmingham City 2, Nottingham Forest 0
Championship, 14. Februar 2009, St Andrews, 17.631 Zuschauer
Nur etwa 20 Minuten Fußweg vom Stadtzentrum Birminghams entfernt liegt St Andrews, die Heimat der Blues. Letztes Jahr aus der Premier League abgestiegen, zählt City dieses Jahr wieder zu den Aufstiegskandidaten und belegt derzeit den dritten Tabellenplatz. Forest hingegen startete katastrophal in die Saison und konnte sich erst kürzlich von den Abstiegsplätzen befreien. Nun sollte es so kommen, dass ich in der laufenden Sasion bereits die zweite Niederlage der Trees erleben sollte. Auch die Fans der Blues haben es nicht leicht als ewige Nummer 2 hinter dem Stadtrivalen Aston Villa. Und umso leidenschaftlicher ist man bei der Sache. Und jeder Fan einer Mannschaft, die ein ähnliches Los zu tragen hat, wird wissen, wovon ich spreche.
Die Pubs der Umgebung sind ganz klar Blues only, wo aber trotz allem jeder Auswärtsfan willkommener wäre als ein Villain. Und in der Kneipe, wo das Pint Guinness umgerechnet gerade mal 2,70 Euro kostet, kam ich mit einem der alten Zulus ins Gespräch. Plötzlich unterhielt ich mich mit Leuten, denen man eigentlich besser aus dem Weg gehen sollte. Aber irgendwie machten die Anwesenden einen vernünftigen - oder besser - resozialisierten Eindruck. Und auf jeden Fall hatten sie die richtige Antwort auf die zunehmende Kommerzialisierung und Versitzplazung des Sports, wie einem Artikel aus deren Fanzine The Zulu zu entnehmen war: Don’t let the wankers who stole our game steal our passion as well!
In einer unterhaltsamen Partie dauerte es bis Mitte der zweiten Hälfte bis das Team von Alex McLeish den verdienten Sieg klar machte.
Everton 3, Aston Villa 1
FA Cup 5th Round, 15. Februar 2009, Goodison Park, 32.979 Zuschauer
Die Stadt Liverpool zählt ganz klar zu meinen Lieblingsorten in Großbritannien, was nichtzuletzt am eigenartigen Charme der Scousers liegen mag. Und seitdem Everton im Wiederholungsspiel der letzten Runde den Lokalrivalen zwei Minuten vor Ende der Verlängerung aus dem Wettbewerb kickte, war die Pokaleuphorie der Toffees auf einem lange nicht gesehenen Niveau. Mit dem Zug aus Birmingham angekommen, machte ich mich sogleich mit der Buslinie 19 auf den Weg zum Goodison Park - vorbei an der nur knapp einer Meile entfernten Anfield Road - um mein hinterlegtes Ticket abzuholen. Es blieb noch genügend Zeit, um die knisternde Atmosphäre vor dem Match aufzusaugen. Wer sollte uns jetzt noch stoppen, wenn wir mit dem FC Liverpool schon den größten Konkurrenten aus dem Weg geräumt haben? So in etwa betrachtete man die Situation diesseits des Stanley Parks. Na ja, da warten noch andere Stolpersteine wie Chelsea, Arsenal oder Manchester United. Aber zunächst einmal musste mit Aston Villa die Überraschungsmannschaft der laufenden Saison aus dem Weg geräumt werden.
Der Goodison Park war zwar ausverkauft, aber trotzdem nicht ganz gefüllt, da man aus Sicherheitsgründen gut drei Tribünenblöcke neben den Gästefans frei hielt. Was aber der guten Stimmung keinen Abbruch tat. Die zahlreich Mitgereisten waren lautstark zu vernehmen, kamen aber dennoch kaum gegen die Blauen an. Nach nur vier Minuten gingen die Gastgeber in Führung und das Stadion drohte überzukochen. Aber schon in der 8. Minute erzielte Villa per Elfmeter den Ausgleich. Es entwickelte sich eine schnelle, hoch unterhaltsame Partie mit Chancen auf beiden Seiten. Wiederum durch einen Strafstoß erlang Everton noch vor der Halbzeit die Führung. Nicht nur stimmungsmäßig war es jetzt schon mit einer der besten Partien, die ich in England je erleben durfte. Doch damit nicht genug. Der Australier Tim Cahill schob in der 75. zum letztlich verdienten 3:1 Endstand ein: Die Toffees schienen nun vollends abzuheben.
Die am Abend live im Fernsehen übertragene Auslosung für die nächste Runde löste im Pub einen Jubelsturm wie bei einem entscheidenden Torschuss aus: Heimspiel für Everton gegen den Sieger aus West Ham/Middlesborough. Eine durchaus lösbare Aufgabe. Auf der Rückfahrt im Zug zu meinem Quartier in Birmingham teilte ich mir das Abteil mit enttäuschten, aber keineswegs aggressiven Villa-Fans.
Das Fazit dieser kurzen Tour fällt äußerst positiv aus. Flug nach Bristol für 60 Euro. Ebensoviel für Bus- und Bahnfahrkarten ausgegeben (angesichts der zurückgelegten Strecken ein sehr vernünftiger Preis). Kein Tröpfchen Regen, milde Temperaturen um die 5 Grad (am Montag sogar sonnig bei frühlingshaften 10 Grad). Viele nette Leute kennengelernt und in Birminghams Stadtmitte eines der besten Backpacker Hostels meiner Reisekarriere gefunden.
Das erste Auswärtsspiel der Rückrunde 2008/09 stand an, und um die krisengebeutelten Löwen zu unterstützen, machte ich mich an diesem ersten Februarwochenende auf den Weg nach Rheinhessen. Im Ludwigsburger Irish Pub traf ich mich am Vorabend mit der Finnland-Pfalz-Connection, und nach Übernachtung und Weißwurstfrühstück in Speyer ging’s am späten Sonntagmorgen gut gelaunt Richtung Mainz.
Zu diesem Zeitpunkt konnte noch keiner ahnen, was für ein Theater sich in der darauffolgenden Woche um den geplanten Investoreneinstieg beim TSV abspielen würde. Doch darauf möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen. Zumindest aber konnten die Blauen endlich mal wieder sportlich überzeugen. Nach frühem Rückstand in der 4. Minute lag man zwar nach rund einer halben Stunde 0:2 zurück, und innerlich hatten zu diesem Zeitpunkt wohl schon viele das Spiel abgeschrieben.
Doch die Löwen kämpften. Und das tat freilich der begeisternden Stimmung der Mitgereisten keinen Abbruch. Noch vor der Halbzeitpause gelang Jungspund Schäffler der Anschlusstreffer. Vor allem in der zweiten Hälfte wussten die Sechzger durch fast schon vergessene Spielkombinationen zu überzeugen, was durch Benny Lauths Ausgleichstreffer belohnt wurde. Der bis zum letzten Platz vollbesetzte Gästeblock bebte. Und letztendlich wäre sogar - ich wage es kaum zu sagen - ein Auswärtssieg drin gewesen!
Von den Mainzer Fans - das bleibt noch zu erwähnen - war nicht viel zu hören. Ausnahme war das leider in deutschen Fußballstadien überstrapazierte You’ll never walk alone zum Einlaufen der Mannschaften, was wohlgemerkt die Vereinshymne des FC Liverpool ist und andernorts nichts verloren hat.
1860: Tschauner - Rukavina, Ghvinianidze, Beda (60. Berhalter), Johnson - S. Bender (60. Ledgerwood), D. Schwarz (74. Rösler) - Aigner, Bierofka - Lauth, Schäffler
Am Vortag legte ich einen Zwischenstopp in der Frankfurter Commerzbank-Arena ein, wo die Eintracht vor 51.300 Zuschauern die Geißböcke empfing. Beeindruckend war zunächst die Choreographie zu Ehren des verstorbenen Kapitäns der Meistermannschaft von 1959 Alfred Pfaff: Der komplette Frankfurter Fanblock schweigend und in schwarz, in der Mitte eine Blockfahne mit dem Konterfei von Don Alfredo.
Es entwickelte sich eine hitzige und abwechslungsreiche Partie. Die Hessen gingen zweimal in Führung und Kölns Ausgleich resultierte aus einem (berechtigten) Elfmeter und einem (unberechtigten) Platzverweis gegen den Frankfurter Chris.
Die dortige Arena, genau an dem Ort errichtet, wo einst das Waldstadion stand, unterscheidet sich nicht wirklich viel von anderen Bauwerken dieser Art. Und selbst ein Chipkartensystem hat man schon umgesetzt, sodass man als Auswärtiger mit Bargeld kein Bier und keine Bratwurst kaufen kann. Ich hab dann einfach mal darauf verzichtet.
Da ich neulich in Saarbrücken zu tun hatte, nutzte ich natürlich die Gelegenheit, mal im Ludwigsparkstadion nach dem Rechten zu sehen. Denn dort war ich letztmals am 4. September 1993 zu Gast, als den Sechzgern ein 2:0-Auswärtssieg gelang und am Ende der Saison in die 1. Bundesliga aufstiegen. Leider aber stand bei meinem zweiten Besuch kein Spiel auf dem Plan.
Der 1.FC Saarbrücken spielte nach diversen Auf- und Abstiegen und zwischenzeitlichem Lizenzentzug noch in der Spielzeit 2005/06 in der 2. Liga. Seitdem ging es kontinuierlich bergab. Nach zwei weiteren Abstiegen in Folge und der Ligareform letzen Jahres ist man mittlerweile in der Oberliga Südwest gelandet.
Im mit 35.303 Plätzen größten Fußballstadion des Saarlandes bekommt man heute nur noch Spiele der fünfthöchsten Spielklasse zu sehen. Mit einem Zuschauerschnitt von rund 4500 liegt der FCS dennoch im bundesweiten Oberligavergleich (2007/08) knapp hinter Preußen Münster (gefolgt von Oldenburg, Waldhof, Kiel und Darmstadt). Und das bei Gegnern wie Bad Breisig, Betzdorf und Mechtersheim. Allerdings finden sich in der Oberliga Südwest mit dem FK Pirmasens, FC Homburg und Borussia Neunkirchen drei weitere Vertreter aus längst vergangenen Tagen. Für interessante Duelle ist also weiterhin gesorgt.
“Und vielleicht geht’s ja irgendwann mal wieder aufwärts”, wie die nette Dame im Fan-Shop meinte, der ich eine Anstecknadel abkaufte.