Karneval in Kölle und Debakel an der Wedau

Das vergangene Wochenende begann fröhlich und ausgelassen, und endete niederschmetternd und enttäuschend. Zunächst besuchte ich den Flo in Köln, wo wir uns zur Einstimmung aufs Karnevaltreiben in einer Fußballkneipe den Auftritt des 1. FC Köln bei den Bayern zu Gemüte führten.  Getränkeeinheiten werden dortzulande zwar in Reagenzgläsern gereicht, doch wir bemühten uns redlich, im Gedränge zum Zuge zu kommen. Die Kombination aus 2:1-Auswärtssieg und Karneval tat ihr Übriges und Köln tobte.  Der weitere Verlauf des Abends gestaltete sich dementsprechend.

MSV Duisburg – TSV 1860 4:1 (2:0)
2. Bundesliga, 22. Februar 2009, MSV-Arena, 13.248 Zuschauer

Tags darauf ging’s bei Nieselregen ins trübe Duisburg, wo das Auswärtsspiel der Löwen anstand. In der eigentlich imposanten MSV-Arena – mit einer Kapazität von 31.500 Plätzen ein gelungenes Beispiel für einen mittelgroßen Stadionneubau – entwickelte sich vor einer enttäuschenden Kulisse von nur 13.248 Zuschauern eine noch enttäuschendere Partie. Den keineswegs gut spielenden Meiderichern gelang – nicht zuletzt Dank der drei Treffer des überzeugenden Kameruners Kouemaha – ein souveräner 4:1-Sieg. Die “Leistung” der Sechzger war durchweg indiskutabel und einer Zweitligamannschaft nicht würdig. Die bislang höchste Saisonniederlage spricht Bände. Durchgefroren und müde trat ich die Heimreise nach Berlin an und fragte mich, ob es das alles wert sei. Aber irgendwer muss den Job ja machen…

1860: Tschauner – Rukavina, Ghvinianidze (19. Berhalter), Beda, Johnson – L. Bender, Ledgerwood – Aigner (71. Schäffler), Bierofka (28. Holebas) – Lauth, Pourie.

St Andrews und Goodison Park

Eigentlich wollte ich das letzte Wochenende nach Cardiff reisen, natürlich nicht ohne eine Partie im Ninian Park zu besuchen. Die Heimat des Cardiff City Football Club ist eines der letzten Stadien der oberen Spielklassen auf der Insel mit Stehplatztribünen, eine davon auf der Gegengeraden. Denn auch in Cardiff gibt es einen Stadionneubau, der mit der kommenden Saison bezogen werden soll. Und damit stirbt einmal mehr ein Stück der guten, alten Fußballatmosphäre. Gary, ein Bekannter aus Cardiff, den ich beim Afrika-Cup in Ghana kennenlernte, hatte bereits die Tickets für das Championship-Spiel gegen Queens Park Rangers besorgt. Doch der unerwartete Wintereinbruch der vergangenen beiden Wochen machte uns einen Strich durch die Rechnung. Das FA-Cup-Wiederholungsspiel auswärts bei Arsenal wurde genau auf diesen Termin gelegt, sodass unsere Partie verschoben wurde.

Kurzfristig musste also umdisponiert werden, um aus der anfänglich ärgerlichen Situation noch das Beste zu machen. Und glücklicherweise konnte ich eine Karte für das FA-Cup-Achtelfinalspiel Everton gegen Aston Villa am Sonntag ergattern. Und da Birmingham auf dem Weg liegt, nahm ich gleich noch die Zweitligabegegnung Birmingham City gegen Nottingham Forest am Samstag mit.

Nach Ankunft am Flughafen Bristol am Freitagabend gegen 23 Uhr bezog ich meine Unterkunft in der Innenstadt gleich beim Busbahnhof. Beinahe hätte ich die Abfahrt des National Express Buses um 7.30 Uhr morgens verschlafen, aber zum Glück musste ich nur einmal die Straße überqueren und war gerade noch rechtzeitig zur Stelle.

Birmingham City 2, Nottingham Forest 0
Championship, 14. Februar 2009, St Andrews, 17.631 Zuschauer

Nur etwa 20 Minuten Fußweg vom Stadtzentrum Birminghams entfernt liegt St Andrews, die Heimat der Blues. Letztes Jahr aus der Premier League abgestiegen, zählt City dieses Jahr wieder zu den Aufstiegskandidaten und belegt derzeit den dritten Tabellenplatz. Forest hingegen startete katastrophal in die Saison und konnte sich erst kürzlich von den Abstiegsplätzen befreien. Nun sollte es so kommen, dass ich in der laufenden Sasion bereits die zweite Niederlage der Trees erleben sollte. Auch die Fans der Blues haben es nicht leicht als ewige Nummer 2 hinter dem Stadtrivalen Aston Villa. Und umso leidenschaftlicher ist man bei der Sache. Und jeder Fan einer Mannschaft, die ein ähnliches Los zu tragen hat, wird wissen, wovon ich spreche.

Die Pubs der Umgebung sind ganz klar Blues only, wo aber trotz allem jeder Auswärtsfan willkommener wäre als ein Villain. Und in der Kneipe, wo das Pint Guinness umgerechnet gerade mal 2,70 Euro kostet, kam ich mit einem der alten Zulus ins Gespräch. Plötzlich unterhielt ich mich mit Leuten, denen man eigentlich besser aus dem Weg gehen sollte. Aber irgendwie machten die Anwesenden einen vernünftigen – oder besser – resozialisierten Eindruck. Und auf jeden Fall hatten sie die richtige Antwort auf die zunehmende Kommerzialisierung und Versitzplazung des Sports, wie einem Artikel aus deren Fanzine The Zulu zu entnehmen war: Don’t let the wankers who stole our game steal our passion as well!

In einer unterhaltsamen Partie dauerte es bis Mitte der zweiten Hälfte bis das Team von Alex McLeish den verdienten Sieg klar machte.

Everton 3, Aston Villa 1
FA Cup 5th Round, 15. Februar 2009, Goodison Park, 32.979 Zuschauer

Die Stadt Liverpool zählt ganz klar zu meinen Lieblingsorten in Großbritannien, was nichtzuletzt am eigenartigen Charme der Scousers liegen mag. Und seitdem Everton im Wiederholungsspiel der letzten Runde den Lokalrivalen zwei Minuten vor Ende der Verlängerung aus dem Wettbewerb kickte, war die Pokaleuphorie der Toffees auf einem lange nicht gesehenen Niveau. Mit dem Zug aus Birmingham angekommen, machte ich mich sogleich mit der Buslinie 19 auf den Weg zum Goodison Park – vorbei an der nur knapp einer Meile entfernten Anfield Road – um mein hinterlegtes Ticket abzuholen. Es blieb noch genügend Zeit, um die knisternde Atmosphäre vor dem Match aufzusaugen. Wer sollte uns jetzt noch stoppen, wenn wir mit dem FC Liverpool schon den größten Konkurrenten aus dem Weg geräumt haben? So in etwa betrachtete man die Situation diesseits des Stanley Parks. Na ja, da warten noch andere Stolpersteine wie Chelsea, Arsenal oder Manchester United. Aber zunächst einmal musste mit Aston Villa die Überraschungsmannschaft der laufenden Saison aus dem Weg geräumt werden.

Der Goodison Park war zwar ausverkauft, aber trotzdem nicht ganz gefüllt, da man aus Sicherheitsgründen gut drei Tribünenblöcke neben den Gästefans frei hielt. Was aber der guten Stimmung keinen Abbruch tat. Die zahlreich Mitgereisten waren lautstark zu vernehmen, kamen aber dennoch kaum gegen die Blauen an. Nach nur vier Minuten gingen die Gastgeber in Führung und das Stadion drohte überzukochen. Aber schon in der 8. Minute erzielte Villa per Elfmeter den Ausgleich. Es entwickelte sich eine schnelle, hoch unterhaltsame Partie mit Chancen auf beiden Seiten. Wiederum durch einen Strafstoß erlang Everton noch vor der Halbzeit die Führung. Nicht nur stimmungsmäßig war es jetzt schon mit einer der besten Partien, die ich in England je erleben durfte. Doch damit nicht genug. Der Australier Tim Cahill schob in der 75. zum letztlich verdienten 3:1 Endstand ein: Die Toffees schienen nun vollends abzuheben.

Die am Abend live im Fernsehen übertragene Auslosung für die nächste Runde löste im Pub einen Jubelsturm wie bei einem entscheidenden Torschuss aus: Heimspiel für Everton gegen den Sieger aus West Ham/Middlesborough. Eine durchaus lösbare Aufgabe. Auf der Rückfahrt im Zug zu meinem Quartier in Birmingham teilte ich mir das Abteil mit enttäuschten, aber keineswegs aggressiven Villa-Fans.

Das Fazit dieser kurzen Tour fällt äußerst positiv aus. Flug nach Bristol für 60 Euro. Ebensoviel für Bus- und Bahnfahrkarten ausgegeben (angesichts der zurückgelegten Strecken ein sehr vernünftiger Preis). Kein Tröpfchen Regen, milde Temperaturen um die 5 Grad (am Montag sogar sonnig bei frühlingshaften 10 Grad). Viele nette Leute kennengelernt und in Birminghams Stadtmitte eines der besten Backpacker Hostels meiner Reisekarriere gefunden.

Rückrundenstart in Mainz

1.FSV Mainz 05 – TSV 1860 2:2 (2:1)

Das erste Auswärtsspiel der Rückrunde 2008/09 stand an, und um die krisengebeutelten Löwen zu unterstützen, machte ich mich an diesem ersten Februarwochenende auf den Weg nach Rheinhessen. Im Ludwigsburger Irish Pub traf ich mich am Vorabend mit der Finnland-Pfalz-Connection, und nach Übernachtung und Weißwurstfrühstück in Speyer ging’s am späten Sonntagmorgen gut gelaunt Richtung Mainz.

Zu diesem Zeitpunkt konnte noch keiner ahnen, was für ein Theater sich in der darauffolgenden Woche um den geplanten Investoreneinstieg beim TSV abspielen würde. Doch darauf möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen. Zumindest aber konnten die Blauen endlich mal wieder sportlich überzeugen. Nach frühem Rückstand in der 4. Minute lag man zwar nach rund einer halben Stunde 0:2 zurück, und innerlich hatten zu diesem Zeitpunkt wohl schon viele das Spiel abgeschrieben.

Doch die Löwen kämpften. Und das tat freilich der begeisternden Stimmung der Mitgereisten keinen Abbruch. Noch vor der Halbzeitpause gelang Jungspund Schäffler der Anschlusstreffer. Vor allem in der zweiten Hälfte wussten die Sechzger durch fast schon vergessene Spielkombinationen zu überzeugen, was durch Benny Lauths Ausgleichstreffer belohnt wurde. Der bis zum letzten Platz vollbesetzte Gästeblock bebte. Und letztendlich wäre sogar – ich wage es kaum zu sagen – ein Auswärtssieg drin gewesen!

Von den Mainzer Fans – das bleibt noch zu erwähnen – war nicht viel zu hören. Ausnahme war das leider in deutschen Fußballstadien überstrapazierte You’ll never walk alone zum Einlaufen der Mannschaften, was wohlgemerkt die Vereinshymne des FC Liverpool ist und andernorts nichts verloren hat.

1860: Tschauner – Rukavina, Ghvinianidze, Beda (60. Berhalter), Johnson – S. Bender (60. Ledgerwood), D. Schwarz (74. Rösler) – Aigner, Bierofka – Lauth, Schäffler

Tore: 1:0 Heller (4.), 2:0 Borja (32.), 2:1 Schäffler (37.), 2:2 Lauth (66.)

Zuschauer: 19.800 im Bruchwegstadion

Eintracht Frankfurt – 1.FC Köln 2:2 (1:0)

Am Vortag legte ich einen Zwischenstopp in der Frankfurter Commerzbank-Arena ein, wo die Eintracht vor 51.300 Zuschauern die Geißböcke empfing. Beeindruckend war zunächst die Choreographie zu Ehren des verstorbenen Kapitäns der Meistermannschaft von 1959 Alfred Pfaff: Der komplette Frankfurter Fanblock schweigend und in schwarz, in der Mitte eine Blockfahne mit dem Konterfei von Don Alfredo.

Es entwickelte sich eine hitzige und abwechslungsreiche Partie. Die Hessen gingen zweimal in Führung und Kölns Ausgleich resultierte aus einem (berechtigten) Elfmeter und einem (unberechtigten) Platzverweis gegen den Frankfurter Chris.

Die dortige Arena, genau an dem Ort errichtet, wo einst das Waldstadion stand, unterscheidet sich nicht wirklich viel von anderen Bauwerken dieser Art. Und selbst ein Chipkartensystem hat man schon umgesetzt, sodass man als Auswärtiger mit Bargeld kein Bier und keine Bratwurst kaufen kann. Ich hab dann einfach mal darauf verzichtet.

Saarbrücken und das Ludwigsparkstadion

Da ich neulich in Saarbrücken zu tun hatte, nutzte ich natürlich die Gelegenheit, mal im Ludwigsparkstadion nach dem Rechten zu sehen. Denn dort war ich letztmals am 4. September 1993 zu Gast, als den Sechzgern ein 2:0-Auswärtssieg gelang und am Ende der Saison in die 1. Bundesliga aufstiegen. Leider aber stand bei meinem zweiten Besuch kein Spiel auf dem Plan.

Der 1.FC Saarbrücken spielte nach diversen Auf- und Abstiegen und zwischenzeitlichem Lizenzentzug noch in der Spielzeit 2005/06 in der 2. Liga. Seitdem ging es kontinuierlich bergab. Nach zwei weiteren Abstiegen in Folge und der Ligareform letzen Jahres ist man mittlerweile in der Oberliga Südwest gelandet.

Im mit 35.303 Plätzen größten Fußballstadion des Saarlandes bekommt man heute nur noch Spiele der fünfthöchsten Spielklasse zu sehen. Mit einem Zuschauerschnitt von rund 4500 liegt der FCS dennoch im bundesweiten Oberligavergleich (2007/08) knapp hinter Preußen Münster (gefolgt von Oldenburg, Waldhof, Kiel und Darmstadt). Und das bei Gegnern wie Bad Breisig, Betzdorf und Mechtersheim. Allerdings finden sich in der Oberliga Südwest mit dem FK Pirmasens, FC Homburg und Borussia Neunkirchen drei weitere Vertreter aus längst vergangenen Tagen. Für interessante Duelle ist also weiterhin gesorgt.

“Und vielleicht geht’s ja irgendwann mal wieder aufwärts”, wie die nette Dame im Fan-Shop meinte, der ich eine Anstecknadel abkaufte.

Croke Park, Dublin

WM-Qualifikation, 15.10.2008, Irland-Zypern 1:0

An einem nasskalten, aber regenfreien Mittwochabend traf in Dublin die Republik Irland auf Zypern. Der 82.500 Zuschauer fassende Croke Park – gerade mal 20 Minuten zu Fuß vom Stadtzentrum in einem Wohngebiet gelegen – war mit 53.500 Besuchern verhältnismäßig schwach besucht, was wohl auch an den Ticketpreisen zwischen 50 und 70 Euro lag. Zudem gilt Zypern nicht gerade als Zuschauermagnet, auch wenn Anorthosis Famagusta in der Champions League gerade für Überraschungen sorgt.

Der Croke Park ist die traditionelle Spielstätte irischer Sportarten wie Hurling oder Gaelic Football. Britische Varianten wie Rugby und Fußball hatten dort lange nichts verloren. Diese Spiele wurden stets an der Lansdowne Road ausgetragen. Und erst seitdem sich das dortige Stadion im Umbau befindet darf auch im Croke Park gespielt werden. Für viele nichtfußballinteressierte Iren ein Sakrileg.

Trappatonis Boys in Green hatten mit den Zyprern übrigens noch eine Rechnung offen: In der Qualifikation zur EM 2008 erreichte man zuhause gerade mal ein 1:1 und kam auswärts mit 2:5 unter die Räder. Diesmal sollte es aber anders kommen. Nach nur 4 Spielminuten schob Robbie Keane zum 1:0 ein, die Stimmung gleich dementsprechend gut, aber leider blieb’s dabei. Die Iren dominierten die Partie zwar, kamen aber nur selten zu nennenswerten Chancen. Erst in der Schlussviertelstunde war ein Bemühen um einen weiteren Treffer zu erkennen. Die wenigen Möglichkeiten wurden aber kläglich vergeben. Auch Zypern kam ein paar Mal vors gegnerische Tor – noch in der ersten Hälfte gelang ein Pfostentreffer – aber letztendlich erspielte man sich keine zwingenden Torchancen. Alles in allem ein müder Kick. Für die Iren zählten am Ende nur die drei Punkte. Ob man sich aber mit dieser Leistung in der Gruppe mit u.a. Italien und Bulgarien durchsetzen kann, bleibt abzuwarten.

Rep of Ireland: Given, O’Shea, McShane, Dunne, Kilbane, McGeady, Gibson, Whelan, Duff, Doyle (Folan 90), Keane.

Booked: Given, McGeady.

Goals: Keane 5

Cyprus: Georgallides, Elia, Charalambous, Constantinou, Garpozis, Christofi, Makridis, Maragos (Panagi 52), Lambrou (Papathanasiou 45), Okkas, Konstantinou (Yiasoumis 79).

Booked: Elia, Constantinou.

Att: 53,500

Referee: Alexandru Dan Tudor (Romania)

Stockport – Nottingham – Manchester

Da der 3. Oktober heuer glücklicherweise auf einen Freitag fiel, und ich zudem bei Ryanair einen 28-Euro-Flug nach East Midlands ergattern konnte, stand einem verlängerten Wochenende in England nichts mehr im Wege. Und nicht nur der Spielplan, sondern auch das Wetter zeigte sich gnädig.

Als Basislager für meine Exkursionen wählte ich das nahegelegene Nottingham, wo ich mit der Meadow Lane und dem City Ground zunächst die Spielstätten von Notts County (ältester noch aktiver Fußballclub Englands, heute viertklassig) und Nottingham Forest (zweifacher Europacupsieger 1979 und 80, heute zweitklassig) inspizierte. An der Meadow Lane stand gerade das Abschlusstraining für die nächste Auswärtspartie bei Port Vale auf dem Programm. Am Stadiontor waren noch die letzten Grüße an den kürzlich verstorbenen langjährigen Team Manager Jimmy Sirrel (85) in Form von Blumen, Fanschals und Trikots angebracht. Die Haupttribüne wurde schon zuvor nach ihm benannt.

Am anderen Ufer des River Trent, und gerade mal 500 Meter Luftlinie entfernt, liegt der City Ground von Nottingham Forest. Dort wo noch bis in die Neunziger Jahre hinein Europacupspiele stattfanden, freute man sich noch bis vor kurzem nach tiefem Fall über den Wiederaufstieg in die 2. Liga, wo man aber mittlerweile abgeschlagen den letzten Platz belegt. Vor den Toren sprach mich ein Vereinsangestellter an, ob ich das Stadion auch gerne mal von innen besichtigen würde. Souverän erklärte ich, dass ich das Ticket fürs morgige Spiel schon besorgt hätte. Nach kurzem Plausch (“I travel to all Nottingham and England away matches, see you in Berlin next month”) wurde ich ins Stadioninnere gebeten. Ich könne mich überall frei bewegen und Fotos machen – “make sure to close the gate when you leave, and just don’t walk on the pitch, mate”. Wunderbar! Ein sehr herzliches Willkommen also in den East Midlands.

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Am Freitagnachmittag begab ich mich dann auf den Weg nach Stockport, südöstlich von Manchester gelegen, das den 15 Meilen entfernten Lokalrivalen aus Oldham zu Gast hatte. Es war ein sonniger, aber sehr kalter und windiger Tag, so dass ich mich zwangsläufig vor der abendlichen Partie in einem der freundlichen lokalen Pubs aufwärmen musste. Und in den Genuss des hervorragenden Ale aus der lokalen Brauerei Robinson’s kommt man ja auch außerhalb des südlichen Manchesters kaum.

Stockport County 3, Oldham Athletic 1

League One, 3. Oktober 2008, Edgeley Park, 8.360 Zuschauer

Der Edgeley Park war zwar nicht ganz ausverkauft, die Stimmung dagegen wirklich erstklassig. Stockport County war als Aufsteiger gut in die Saison gestartet, während Lokalrivale Oldham Athletic souverän an der Tabellenspitze stand. Letztere dominierten die erste Hälfte auch klar und gingen in der 24. Minute erwartungsgemäß in Führung. Daraufhin brach auf der Cheadle End Tribüne eine wilde Schlägerei aus. Auslöser waren ein paar provokant auftretende Oldham Supporters, die sich im gegnerischen Fanblock eingefunden hatten, da das Kartenkontingent der Gastmannschaft vollends ausgeschöpft wurde. Nach kurzer Spielunterbrechung und Zugriff durch Ordnungskräfte und Polizei konnte ich mich wieder aufs Spiel konzentrieren. Zur zweiten Hälfte kam County wie ausgewechselt aus der Kabine und schenkte den Nachbarn gleich drei Stück ein. Dementsprechend ausgelassen wurde dann auch gesungen.

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Nottingham Forest 0, Crystal Palace 2

Championship, 4. Oktober 2008, City Ground, 22.811 Zuschauer

Zurück in der Heimatstadt von Robin Hood stand am Samstag das Kellerduell gegen die Londoner von Crystal Palace an.  Irgendwie erinnerte mich die momentane Situation an die des 1.FC Kaiserslautern in der vergangenen Saison 2007/08: Ein einst sehr erfolgreicher Traditionsverein mit imposantem Stadion und vielen treuen Fans am Rande des Abgrunds. Traurig. Auch gegen den Drittletzten gelang trotz zahlreicher Chancen kein Tor, und nach drei Minuten stand es schon 0:1. Die Palace-Fans hatten reichlich Spaß am Auswärtssieg und bedankten sich mit einem hämischen “You’re not famous anymore” – selber waren sie es ja nie.

In den Pubs rund ums Stadion herrscht übrigens eine strikte Home Supporters Only Policy. Da ich aber ganz eindeutig kein Londoner bin, konnte ich sogar die härtesten Türsteher überzeugen.

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Manchester City 2, Liverpool FC 3

Premier League, 5. Oktober 2008, City of Manchester Stadium, 47.280 Zuschauer (ausverkauft)

Am darauffolgenden Tag stand dann das absolute Highlight auf dem Programm, das nicht nur hielt, was es versprach, sondern diesen Sonntag zu einem wirklich erinnernswerten Tag machte. Man City v Liverpool im ausverkauften City of Manchester Stadium. Mit dem geldbeutelschonenden Cheap Day Return der britischen Bahn (Hin- und Rückfahrt am selben Tag nur 10p mehr als eine Einzelfahrt) war ich nach 2 Stunden in Manchester Piccadilly angekommen. Weiß-blauer Himmel, sonnig, 16 Grad. Perfektes Fußballwetter. Da die Sonderbusse Richtung Stadion völlig überfüllt waren, machte ich mich auf den 30-minütigen Fußweg.

Die Atmosphäre im Stadion war elektrisierend. Die Reds als noch ungeschlagener Tabellenführer zu Gast bei den mit großen Namen wie Robinho verstärkten Citizens. Und als letztere dann auch noch vor der Halbzeit überzeugend durch Stephen Ireland und Garrido 2:0 in Führung gingen, ertönte aus tausenden Kehlen “City, City – the greatest team in the world” und natürlich die Vereinshymne “Blue Moon”. Endlich möchte man zu den “Big Four” Chelsea, Arsenal, Man Utd und Liverpool aufschließen, die seit Jahren die Liga dominieren.

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Doch in der zweiten Hälfte kam alles ganz anders. Liverpool gelang durch den einmal mehr überragenden Fernando Torres der Anschlusstreffer. Ein grobes Foul von Zabaleta in 67. Minute, das zum Unmut der Fans mit Rot geahndet wurde, brachte dann das Spiel zum Kippen. Es war erneut Torres, der darauf den Ausgleich beisteuerte, und schließlich Dirk Kuyt in der 2. Minute der Nachspielzeit, der den Auswärtssieg perfekt machte. Die Heimfans fühlten sich durch einige zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen verschaukelt, während von der Gästetribüne “You’ll never walk alone” lauter ertönte als ich es beim letzten Besuch an der Anfield Road kannte.


And Smith must score!

Wir schreiben den 21. Mai 1983. Im Londoner Wembley-Stadion trifft Manchester United im FA Cup Final auf die Überraschungsmannschaft und den klaren Außenseiter Brighton & Hove Albion. Vor 99.059 Zuschauern steht es nach der regulären Spielzeit 2:2 unentschieden.

Es geht in die Verlängerung, in der zunächst keine weiteren Treffer erzielt werden. Bis dann in der 120. Minute der Brightoner Gordon Smith plötzlich alleine vor dem Kasten Manchesters auftaucht und mit einem einfachen Schuss nicht nur den Siegtreffer erzielen, sondern damit auch das Undenkbare hätte wahr werden lassen können. Doch er vergab kläglich. Der verzweifelte Ausruf des BBC-Radiokommentators “And Smith must score!” wurde zum geflügelten Wort. Es wäre wohl eine der größten Pokalsensationen in der langen Geschichte dieses Wettbewerbs geworden.

Zu jener Zeit gab es im Mutterland noch kein Elfmeterschießen – ähnlich wie bei Spielerauswechslungen zögerte man mit der Einführung solcher Neuerungen – was wohl auch das Elfmeter-Trauma der Engländer erklären mag. Stattdessen wurde ein Wiederholungsspiel angesetzt, das Man Utd klar mit 4:0 gewann. Der kurze Traum vom großen Glück Brightons, einmal ganz oben zu stehen, war geplatzt. In derselben Saison stieg man ab, und spielt heute nur noch drittklassig.

Doch damit der Tragik um die Seagulls (Möwen) von der Südküste nicht genug.  1997 tauchte mit Bill Archer ein Investor auf, der mit seinem Geld eine rosige Zukunft versprach. Viele ließen sich täuschen, denn wie es sich herausstellte, ging es Archer nicht um den Fußball, Brighton, die Fans oder gar das Wohlergehen des Vereins. Vielmehr ging es ihm um günstigen Baugrund, was darin gipfelte, dass der seit 1902 genutzte Goldstone Ground an Bauspekulanten verkauft und kurzerhand abgerissen wurde. Am 26. April 1997 kam es dort gegen die Doncaster Rovers zur letzten Partie. Wo einst das Stadion stand, befindet sich heute eine Filiale von Toys ‘R’ Us und ein Burger King.

Die Seagulls waren mehr oder weniger über Nacht heimatlos geworden. Die beiden folgenden Spielzeiten wich man ins 120 km entfernte Gillingham aus. Danach kehrte man nach Brighton zurück und spielt seither im Withdean Stadium (eine Bezirkssportanlage mit nachträglich hingestellter Tribüne). Mittlerweile plant man einen eigenen Neubau mit 22.500 Plätzen, der 2010 bezogen werden soll.

“And Smith must score!” wurde nicht nur zum Titel des Brightoner Fanzines, sondern das Thema wurde auch in einem dramatischen Gedicht von Attila the Stockbroker verarbeitet, seines Zeichens Kaberettist, Punkrocker und nicht zuletzt heißblütiger Seagulls-Fan. Ein weiteres hörenswertes Stück aus seinem Repertoire mit dem Titel Roll up for the Donkey derby beschäftigt sich mit dem Pokalfinaleinzug von Crystal Palace 1990 – auch hier hieß der Gegner Manchester United, und auch hier wurde die Sensation erst in einem Wiederholungsspiel abgewendet. Mangels unmittelbarer fußballerischer Konkurrenz in East Sussex hatte man sich einst die Eagles aus dem Londoner Süden als Lokalrivalen ausgesucht. Da deren Anfeuerungsruf “Eeeaa-gles!” irgendwie nach “eee-aw” klingt (so wiehert der Esel auf englisch), wird der Club vom Selhurst Park daher einfach als “donkeys” bezeichnet. Habe selten einen so originellen, musikalisch vertonten Schmähgesang gehört (Text siehe unten).


Roll up for the Donkey derby

Now Wembley’s seen some glory days beneath the old twin towers

From England 1966 to Nelson’s finest hour

The hallowed turf has also seen some awful tragedy

when Gordon missed in extra time in 1983….

Now pigs could fly all over the place, bad refs all get a ban

and every Falmer nimby become a Seagulls fan

But we who love our football never thought we’d see the day

The smeggy sons of Selhurst walking down the Wembley Way!

(Chorus:)

Ee-aw! Ee-aw! The Palace got to Wembley, they’ve

never been there before!

Ee-aw! Ee-aw! Roll up for the donkey derby, there’s

room for plenty more……!

Now they beat the mighty Portsmouth with a fluke last minute goal

‘Gainst the awesome power of Rochdale they played the starring role

The Grecian gods of Huddersfield were calmly swept aside

And the way they dealt with Cambridge filled all Selhurst Park with pride…

And then they met a proper team – and confidence was thin

‘Cos the last time they played Liverpool, they didn’t exactly win (9-0, 9-0!)

But the Anfield defence deserve ten years on the dole

for letting in that quadruped to score the winning goal…

There’s old Gary O’Reilly – what’s he doing here?

He should be wandering up and down the beach by Blackpool Pier!

Pemberton and Pardew – one role for them, I’d say

And that’s the leading animal in a school nativity play…

And as for Man United, they hardly raised the tone

with Gary ‘Crystal’ Pallister, a donkey of their own

The final was a comedy, the replay was a bore

and the crowd were shouting ‘Eagles’ when it should have been ‘Ee-aw!’

Dresden – Praha – Teplice

Nach der Rückkehr aus Helsinki bzw. Tallinn und nicht einmal vier Stunden Schlaf ging es am Samstagmorgen auf in Richtung Dresden. Kai Havaii von den Unionern hatte ein Auto und Gästekarten für die Partie bei Dynamo klargemacht. Da konnte ich natürlich nicht Nein sagen. Außerdem kündigte sich ein sonniger Spätsommertag an.

Vor der Partie blieb noch Zeit für eine Besichtigung der wirklich imposanten Altstadt Dresdens samt der wiederaufgebauten Frauenkirche. Seit meinem letzten Besuch im Juni 1990, als Dynamo vorletzter DDR-Oberligameister wurde, hatte sich freilich viel verändert. Auch das Rudolf-Harbig-Stadion war kaum noch wiederzuerkennen. Schließlich baut Dynamo gerade ein neues Stadion, und nur noch der Gästeblock und die alte Anzeigetafel sind als Zeugnisse der Vergangenheit geblieben. Der Rest ist eine riesige Baustelle.

Das Spiel war dennoch mit über 10.000 Zuschauern ausverkauft, darunter rund 1300 Gäste aus Berlin, die sich bei den Sachsen mit Sprechchören der Kategorie “Wir sind eure Hauptstadt, ihr Bauern” oder “Es kommt die Zeit, in der das Wasser wieder steigt” versuchten, sich unbeliebt zu machen. In einer zerfahrenen Partie glückte den Eisernen schließlich in der 89. Minute der Siegtreffer. Nach der Partie trafen wir uns noch mit ein paar Bekannten aus Berlin und Dresden zum Abendessen, bevor wir zu zweit die Weiterreise nach Prag antraten.

Unser Ziel war der Stadtteil Žižkov, vor zehn Jahren noch ein trister Arbeiterbezirk, der sich mittlerweile zum Prenzlauer Berg von Prag gemausert hatte. Der dort beheimatete FK Viktoria trat am Sonntagmorgen bereits um 10.15 Uhr gegen die falschen Bohemians Praha an, die eigentlich FC Střížkov Praha 9 heißen und unter falscher Flagge antreten. Der eigentliche Prager Traditionsverein Bohemians ging 2005 Konkurs und verkaufte die Namens- und Logorechte. Mittlerweile haben sich die echten Bohemians neu formiert und treten in dieser Saison als Bohemians 1905 in der 2. Liga an.

Die falschen Bohemians sind ein Verein ohne Fans und ohne eigenes Stadion (die Heimspiele werden im Viktoria-Stadion ausgetragen). Ein trauriges Kuriosum des tschechischen Fußballs. Viktoria Žižkov hingegen ist ein kleiner, aber etablierter Verein, mit vorwiegend Anhängern aus der Nachbarschaft. Das Stadion liegt mitten in der Stadt und es herrscht eine familiäre Atmosphäre.

Nachdem die Gastgeber die erste Halbzeit klar dominierten und 2:0 in Führung gingen, verschliefen sie den Beginn der zweiten Hälfte und mussten nach einem Doppelschlag den Ausgleich hinnehmen. Bald gewann man aber wieder Oberwasser und entschied die Partie mit 4:2 für sich.

Dank des frühen Anstoßes in Prag konnten wir auf dem Rückweg noch die Begegnung um 17 Uhr zwischen FK Teplice und Baník Ostrava mitnehmen. Das Ticket (freie Platzwahl) schlägt mit rund 3,50 Euro zu Buche, Bratwurst und Bier sind zusammen für weniger als 2 Euro zu haben. So macht das Groundhopping Spaß! Die Stadt nahe der deutschen Grenze wartet mit einem imposanten Stadion auf, das für die relativ kleine Fanszene zugegebenermaßen viel zu groß ist. Die zahlreich (und weit) angereisten Ostrauer machten gut Stimmung, während die Teplitzer nur durch eine Rauchbombe, ein paar Knallkörper und dem Hissen eines Dynamo-Dresden-Banners(!) auf sich aufmerksam machten, was von den Gästen wiederum mit “Scheiße Dynamo” quittiert wurde. Handelte es sich hier am Ende um einen Stellvertreterkrieg?!

Die Partie gestaltete sich ausgeglichen, wurde aber erst in der zweiten Hälfte einigermaßen spannend. Der Mangel an Torchancen resultierte schließlich in einem 1:0-Heimsieg. Nachdem wir uns aus dem Parkplatz am Stadion quälten, ging es nach einem erlebnisreichen Wochenende auf die Heimfahrt nach Berlin.

Einmal Helsinki und zurück

Um günstig zum WM-Qualifikationsspiel am 10. 9. 2008 in Finnland zu gelangen, bin ich zunächst mit easyjet nach Tallinn geflogen, von wo aus ich zwei Tage später per Fähre nach Helsinki übersetzte. Dort wartete bereits die Pfälzer Abordnung um Timo, Hendrik und Brillo auf mich. Diese waren zwei Tage zuvor über Tampere eingeflogen und hätten beinahe den Bus nach Uusikaupunki bestiegen. Dem war aber nicht so, und so kam es, dass wir fünf Tage Zeit hatten, um Helsinki zu erkunden. Untergekommen waren wir in Timos Ferienwohnung (dafür nochmals vielen Dank an dieser Stelle!).

Herrschte anfangs noch ziemlich ungemütliches Regenwetter, so war es ab Mittwoch, dem Spieltag, trocken und tags darauf sogar richtig schön. Neben einem Ausflug auf die der Stadt vorgelagerten Insel Suomenlinna mit ihrer Festungsanlage (Unesco-Weltkulturerbe), der Besichtigung des Doms und der russisch-orthodoxen Uspenski-Kathedrale, blieb abends natürlich auch Zeit zur Erkundung des finnischen Nachtlebens. Für Freunde des finnischen Humors gehört ein Besuch im Zetor, dem Lokal der Leningrad Cowboys, zum Pflichtprogramm. Bei den hiesigen Bierpreisen ab fünf Euro aufwärts blieb vor allem auch das Lokal Baarikärpänen (Barfly) besonders positiv in Erinnerung, das aufgrund seiner unschlagbaren Happy-Hour-Preise auch liebevoll “Oansfuffzger” genannt wird. Empfehlenswert ist auch die tschechische Bierkneipe Vltava direkt am Hauptbahnhof, wo wir uns am Mittwoch vor dem Spiel mit unseren finnischen Freunden trafen, die uns auch die Tickets fürs Spiel besorgt hatten.

Und so befanden wir uns dann im Olympiastadion von 1952 inmitten des finnischen Fanblocks. Anderenorts hätte man sich Sorgen machen müssen, aber in Helsinki herrschte eine sehr freundschaftliche Atmosphäre. Und die Tatsache, dass Suomi gleich dreimal in Führung ging, trug natürlich zu einer ausgelassenen Stimmung an diesem herbstlich-frischen Abend bei. Miroslav Klose glich bekanntlich dreimal aus, und so kam das deutsche Team letztendlich zu einem glücklichen Unentschieden.

Nach fünf sehr unterhaltsamen Tagen ging es am Freitagnachmittag zurück nach Tallinn. Der Rückflug verspätete sich dann leider um drei Stunden, sodass ich erst am Samstagmorgen gegen halb vier ins Bett kam.